DURCH LAKOTA-AUGEN SEHEN

Eine Zusammenfassung von David Little Elk

Foto mit freundlicher Genehmigung der Cumberland County Historical Society, Carlisle, PA.

Um die Lakota-Sprache zu sprechen, muss man sich der Lakota-Perspektive bewusst sein, damit die richtigen Woerter verwendet werden. Dies wird erreicht, indem man entweder unter Lakota-Menschen aufwaechst, deren Muttersprache Lakota ist und diese in ihren Heimatlaendern leben. Oder, es kann von einem Lakota gelehrt werden, der diese Perspektive sein ganzes Leben lang gelebt hat. Aufgrund dessen, dass die vorherrschende Gesellschaft der westlichen Zivilisation die Bedeutung einiger Lakota-Woerter aenderte, versuchten sie damit, die Indigenen zu veraendern, um sie zu kontrollieren. Sie taten dies in der Hoffnung, es wuerde uns "zaehmen".

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts richtete die amerikanische Regierung Internate ein, um einheimische Kinder zu "zivilisieren", damit sie in der amerikanischen Gesellschaft funktionieren sollten. Sie erkannten, dass es umso einfacher war, sie umzuwandeln, je frueher sie die einheimischen indigenen Kinder von zu Hause wegbrachten. Sie erkannten auch, dass es umso einfacher war, diese emotional zu zerstoeren, je weiter sie diese einheimischen Kinder von zu Hause wegbrachten. Diese Schulen boten schlecht bezahlte Gehaelter und kaum bis gar keine Sozialleistungen. Daher wurden viele Lehrer mit fragwuerdigem Charakter eingestellt, um diese indigenen Kinder zu "zivilisieren".

So wurden diese Kinder Hunderte von Kilometern von ihren liebevollen Grossfamilien entfernt in diese Internate gebracht. Als sie dort ankamen, mussten sie sich als erstes in die Schlange stellen, um sich die Haare schneiden zu lassen. In den meisten Ureinwohnerkulturen enthalten Haare die Essenz der Seele, und deshalb liessen die meisten Indigene ihre Haare lang wachsen. Das einzige Mal, dass sie sich die Haare schneiden durften, war, als ein Verwandter starb. Dieser Haarschnitt wurde feierlich durchgefuehrt, da dies eine kulturelle Regel war. Daher war es wirklich schockierend, dass diese Kinder gezwungen wurden, Schlange zu stehen, um sich die Haare schneiden zu lassen. Diese Kinder dachten also, dass jemand in ihrer Familie gestorben sein musste. Und da sie alle in einer Reihe stehen mussten, dachten sie, dass alle ihre Familien gestorben sein muessten. Und dann hatten sie das Gefuehl, dass ihnen nun auch der Tod bevorstand. Das muss ein aeusserst traumatisches Schockerlebnis gewesen sein.

Es wurde ihnen eingetrichtert, dass ihre Sprache und Kultur boese seien und sie selbst vom Teufel abstammen (den sie bis dato noch gar nicht kannten). Um sich und ihren Worten Respekt zu verschaffen, wurden die indigenen Kinder bei einem Verstoss dagegen von den Lehrern und Aufsehern koerperlich schwer misshandelt, sexuell belaestigt und ihnen das Gefuehl vermittelt, sich wegen ihrer Muttersprache oder Kultur schaemen zu muessen. Bald starben viele der Kinder in diesen Schulen an gebrochenen Herzen sowie an koerperlicher, geistiger und emotionaler Misshandlung. Auch geschah es, dass einige der ueberlebenden Kinder die missbraeuchliche Vorgehensweise der Lehrer, Priester und anderer Autoritaetspersonen in diesen Schulen uebernahmen. Als die aelteren Schueler begannen sie, diejenigen zu beschimpfen und zu schlagen, die sie fuer schwaecher hielten als sie selbst. Da diese Kinder getrennt von ihren Grossfamilien aufwuchsen, die ihnen normalerweise dabei geholfen haetten, zu lernen, ihre Gefuehle und Gedanken zu verarbeiten, waehrend sie erwachsen wurden, stattdessen mit staendigem Missbrauch aufgewachsen sind, hatten sie keine emotional gesunden Vorbilder fuer Erwachsene, denen sie nacheifern koennten.

Foto mit freundlicher Genehmigung der Cumberland County Historical Society, Carlisle, PA

Als diese Kinder, die einer regelrechten "Gehirnwaesche" unterzogen worden waren, nach Abschluss ihrer "Schulausbildung" nach Hause zurueckkehrten und selbst Eltern wurden, wollten sie nicht, dass ihre Kinder ihre Sprache sprechen oder ihre Kultur kennen. Um sie zu schuetzen, damit sie nicht aehnliche grauenhafte Erfahrungen in den Schulen durchlaufen muessen, vermittelten sie somit ihren Kindern nur wenig ueber ihr Wissen. Dieser Prozess dauerte ueber mehrere Generationen hinweg und ueberraschenderweise waren einige von ihnen der Meinung, der beste Weg zum ueberleben bestehe darin, die Braeuche des Christentums anzunehmen. Noch dazu setzte sich die Handhabe der Gehirnwaesche durch die christlichen und katholischen Priester in den Reservaten fort, indem sie Fehluebersetzungen bestimmter Konzepte und Lehren der Lakota vornahmen. Damit wollten die Priester sicherstellen, dass sich die "alten" Verhaltensweisen der Lakota nicht wieder einstellen und sie sie somit weiterhin dominieren wuerden.

Als die christlichen und katholischen Priester Anfang des 20. Jahrhunderts zum ersten Mal in die Reservate kamen, wollten sie uns zu ihren Religionen bekehren. Ein Schritt, den sie waehlten, war, unsere Sprache zu lernen. Einige versuchten, biblische Informationen in die Muttersprachen zu uebersetzen, um besser auf die Eingeborenen einzuwirken, was auch eine einfachere Glaubenswandlung ermoeglichen wuerde. Diese Kirchen bauten spaeter Schulen in den Reservaten, die den staendigen Missbrauch der einheimischen Kinder durch die Priester beinhalteten. Immer mehr einheimische Kinder begannen die Gehirnwaesche zu akzeptieren, um von diesem Missbrauch verschont zu bleiben. Und diejenigen, die noch ihre Muttersprache im Verborgenen sprachen, akzeptierten die veraenderten uebersetzungen deren Muttersprache, ebenso wie sie die neuen Ideologien akzeptierten, die ihnen aufgezwungen wurden. In manchen Faellen entwickelten sich die Priester zu buchstaeblichen Ohren ihres Gottes. Daher liessen sie die einheimischen Kinder sie um Vergebung ihrer Suenden bitten. Dies stellte die Priester ueBER die Indigenen. Aufgrund dieser Erfahrung uebersetzten die Priester das heilige Lakota-Wort "unsimala" falsch, in den versteckten und unterdueckenden Ausdruck "habe Mitleid mit mir".

JEDOCH... DURCH LAKOTA AUGEN... "unsimala" bedeutet "Ich habe ein echtes Beduerfnis und ich brauche deine Hilfe". Wenn ich Hilfe benoetige und zu jemandem "unsimala" sage, hat diese Person die Wahl, mir zu helfen, oder nicht. Wenn er/sie sich entscheidet, mir zu helfen, tritt das Lakota-Naturgesetz der Grosszuegigkeit in Kraft. Dieses Naturgesetz besagt, dass die Energie, die ein Mensch fuer die Kommunikation mit anderen aufwendet, vierfach zu ihm zurueckfliesst. Wenn sich diese Person also dafuer entscheidet, mir zu helfen, wird das Ergebnis sein, dass sie vierfach (4 x) gute Medizin erhaelt. Und mein Beduerfnis wird auch erfuellt. Als ich zu dieser Person "unsimala" sagte, bot ich dieser anderen Person die Gelegenheit, vierfachen Segen zu erhalten. Die urspruengliche Definition von "unsimala" unterscheidet sich somit stark von der Definition christlicher und katholischer Priester.


Umzugsbroschuere, verteilt vom BIA "Bureau of Indian Affairs".

In der juengeren Vergangenheit der Lakota, beginnend in den fruehen 1950er Jahren, wurde ein Programm der US-Regierung namens "Relocation - Verlegung fuer Ureinwohner" ins Leben gerufen. Im Rahmen dieses Programms wuerde die Regierung der Vereinigten Staaten alle Kosten fuer den Umzug der Ureinwohner aus dem Reservat in eine grosse US-Stadt uebernehmen. Die US-Regierung versprach, dass, wenn sich die Ureinwohner fuer dieses Programm anmelden wuerden, diese Ureinwohnerfamilien unter anderem gute Arbeitsplaetze, schoene Haeuser in schoenen Vierteln und schoene Schulen mit qualitativ hochwertiger Bildung fuer ihre Kinder erhalten wuerden. Daher haben sich viele einheimische Familien fuer die Umsiedlung angemeldet.

Als diese einheimischen Familien in den Staedten ankamen, war nichts so, wie es ihnen versprochen wurde. Stattdessen landeten sie in Ghettos, wo ihnen haeufig sogar die Afroamerikaner und Mexikaner das Leben schwer machten, zu dem zusaetzlichen Rassismus, den ihnen das weisse Amerika beschert hatte. Daher wurden sie von allen anderen Menschen um sie herum, die ebenso keine Einheimischen waren, mit Rassismus konfrontiert. Es wurde ihnen viel Unrecht zugefuegt und sie hatten im Grunde keinen Ort, an den sie sich wenden konnten, um Hilfe zu erhalten, da sogar die Strafverfolgungsbehoerden und die Gerichte ihnen noch mehr Unrecht zufuegten, als ihnen zu helfen. Einige Eingeborene kehrten in die Reservate zurueck. Obwohl die wirtschaftliche Situation in ihren Heimatreservaten schlechter war, empfanden sie diese dennoch besser, als die extremen Schwierigkeiten, die sie in diesen Staedten durchmachen mussten.

Viele von ihnen blieben dennoch in den Staedten. Mit der Zeit wurde es besser. Nicht perfekt, aber besser, und vielen begann es auch materiell zu gedeihen. Allerdings litten die Einwohner der Stadt immer noch geistig und emotional. Ausserdem war es damals sehr unpopulaer, einheimisch zu sein. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Ureinwohner bereits unter den Internatserfahrungen des fruehen 20. Jahrhunderts gelitten und litten jetzt unter den Umsiedlungsprozessen. Und noch mehr als zuvor wurden viel mehr der urspruenglichen Glaubensvorstellungen der Ureinwohner vernachlaessigt und vergessen. Ausserdem verloren die Indigene-Verlegung-Leute allmaehlich ihre Stammesperspektive, da sie sich an das Leben in der Grossstadt gewoehnten. Einige begannen, die volle Bedeutung der wenigen kulturellen Informationen zu verlieren, die sie noch hatten. Infolgedessen begannen diese Stadtbewohner, mit einer Perspektive zu denken, die der westlichen Denkweise sehr aehnlich war. Und diejenigen, die noch ein wenig von ihrer Sprache wussten, begannen, sie aus einer westlichen und christlichen Perspektive zu sprechen und nicht aus ihrer eigenen traditionellen Perspektive.

Ein Fehler besteht darin, wenn Menschen Nicht-Lakota-Ausdruecke nehmen und sie in Lakota uebersetzen. Wenn sie das tun, denken sie, dass sie "Lakota sprechen". Ein Beispiel ist der Ausdruck "Wakan Tanka nici un". Dies ist ein Ausdruck, der nicht aus der Lakota-Perspektive stammt. Vielmehr handelt es sich um einen nicht-einheimischen Ausdruck, der ins Lakota uebersetzt wurde. Allerdings wird durch die uebersetzung eines Nicht-Lakota-Ausdrucks mit der Lakota-Sprache dieser nicht in einen Lakota-Ausdruck umgewandelt.

Bevor unsere Lakota-Braeuche von christlichen und katholischen Priestern der Vergangenheit geaendert wurden, bedeutete "Wakan Tanka" "eine Organisation spiritueller und physischer Wesenheiten", deren Braeuche ein grosses Mysterium waren. Daher ist die wahre Definition von "Wakan Tanka" "Das grosse Geheimnis". Es bedeutet nicht "der grosse Geist" oder "der Schoepfer" oder irgendein anderes "Ein-Gott"-Konzept, wie es im Christentum zu finden ist. Unser Glaubenssystem unterscheidet sich lediglich von der christlichen Sichtweise. Aber aufgrund des Christianisierungsprozesses, der in der Vergangenheit in den Reservaten stattfand, wurden viele der urspruenglichen Lehren als Gehirnwaesche-Technik verfaelscht, um die Ureinwohner dazu zu bringen, "das Licht" und den "Irrtum" ihrer frueheren "boesen" Verhaltensweisen zu erkennen. Daher: "Wakan Tanka nici un", ist KEIN Lakota-Ausdruck. Wenn traditionelle Lakota-Leute "Wakan Tanka nici un" hoeren, ist das fuer manche lustig, fuer andere beleidigend. Lakota-uebersetzungen von Ausdruecken, die nicht aus der Lakota-Perspektive stammen, widersprechen tatsaechlich der Lakota-Perspektive und dem Lakota-Volk selbst.


Die Lakota-Sprache wurde bis vor Kurzem nie geschrieben. Daher hat unsere Sprache Eigenschaften entwickelt, die die Haeufigkeit von Kombinationen bestimmter Laute betreffen, die unsichtbare Dimensionen beeinflussen. Wenn jemand auf Lakota etwas sagt, das zunaechst "okay" klingt, aber ohne die Lakota-Perspektive, koennte er etwas Gefaehrliches herbeifuehren. Daher erfordert das Unterrichten dieser Sprache auch das Unterrichten der Lakota-Perspektive. Die Lakota-Perspektive basiert auf mehreren wichtigen Naturgesetzen. Eine davon heisst die 7. Richtung, bei der es darum geht, so gut wie moeglich auf die vier Teile des Selbst (Geist, Koerper, Emotionen und Seele) zu achten, damit wir inneren Frieden in uns selbst herstellen. Die Natur projiziert den Seinszustand unserer inneren Welt auf die Welt um uns herum. Wenn wir also unsere 7. Richtung nicht einhalten, tragen wir zur anhaltenden Verletzung unserer Mutter Erde bei. Ausserdem wirkt sich das Sprechen der Lakota-Sprache ohne die Lakota-Perspektive auch auf die 7. Richtung aus. Das Naturgesetz der Grosszuegigkeit besagt, dass die Energie, die wir fuer die Kommunikation ueber Gedanken, Gefuehle, Taten und Worte verwenden, vierfach zu uns zurueckkehrt. Daher kann das Sprechen der Lakota-Sprache ohne die Lakota-Perspektive der Person, die sie spricht, Schaden zufuegen.

Allerdings ... zu Ehren meiner Verwandten, die den aufgezwungenen "zivilisatorischen" Prozess, durch die Internate und Kirchen erlitten und ueberlebt haben, ist es mein Bestreben, die Lakota-Sprache weiterhin so unterrichten, wie sie vor dieser "zivilisatorischen" Erfahrung gesprochen wurde. Unsere Sprache existiert seit Zehntausenden von Jahren. Dadurch entwickelte sie Eigenschaften, die die meisten anderen geschriebenen Sprachen nicht aufweisen. Zu diesen Eigenschaften gehoert es, die Verbindung zu Tieren und Pflanzen tatsaechlich zu spueren und mit den spirituellen Bereichen zu kommunizieren.



Wenn ich an die Seelen der Lakota-Kinder denke, die waehrend dieser Erfahrung im Internat gelebt haben und gestorben sind, moechte ich mein Bestes tun, um die Sprache zu lehren und sie wieder in den alltaeglichen Gebrauch zu bringen. Deshalb lehre ich beim Unterrichten der Lakota-Sprache auch die Lakota-Perspektive. Das heisst, ich lebe und unterrichte ... MIT BLICK DURCH LAKOTA-AUGEN.

Hau, Mitakuyepi, hecetu welo. Ja, liebe Verwandten, so ist es. [Copyrighted 1997 by David Little Elk.]

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